Am Vortag der Reichsprogromnacht erinnerte Warendorfs Bürgermeister Peter Horstmann am jüdischen Friedhof der Stadt an die Schrecken der Angriffe auf jüdische Menschen, ihre Geschäfte und Unternehmen in der Nacht vom 9. Auf den 10. November 1938. Damals hatte sich der durch die Nazis aufgeladene Judenhass in Gewaltexzessen gegen jüdische Einrichtungen und Synagogen, aber auch in gewaltsamen und zum Teil tödlichen Angriffen auf jüdische Menschen in ganz Deutschland, auch in Warendorf, entladen.

Peter Horstmann machte die Erinnerung an den Auftakt zum Holocaust am Schicksal der Freckenhorster Jüdin Hilde Michel geb. Rosenberg fest: 1924 war Hilde Rosenberg, damals gerade 18 Jahre alt, beim Schützenfest der Hubertusschützenbruderschaft vom neuen Schützenkönig zu dessen Königin erkoren worden – unter dem Jubel der Freckenhorster Bürger! Nur 18 Jahre später, im Jahr 1942 wurde Hilde, die inzwischen verheiratet war, mit ihrer gesamten Familie nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte zwar den Horror des Vernichtungslagers, aber viele ihrer Mitgefangenen wurden dort ermordet. Es sei wichtig, „die unvorstellbaren Gräueltaten an einzelnen, lokalen Schicksalen wie dem von Hugo Spiegel oder Hilde Michel geb. Rosenberg zu verdeutlichen.“

Die vermeintliche Sicherheit, dass sich die Shoa heute nicht wiederholen kann, sei trügerisch. Schon gäbe es wieder Angst unter den Jüdinnen und Juden in Deutschland: „Wir haben uns daran gewöhnt, dass jüdische Einrichtungen Tag und Nacht bewacht werden müssen, dass Briefe der jüdischen Gemeinde in neutralen Umschlägen verschickt werden müssen, dass Jüdinnen und Juden in der Öffentlichkeit nicht die Kippa tragen wollen, aus Angst, Opfer von Anfeindungen zu werden!“ Warendorfs Bürgermeister wies darauf hin, dass Artikel I des Grundgesetzes in der Hauptsache mit Blick auf die Gefahr der Wiederholung des Holocaust formuliert worden sei: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt!“

Die Rede des Bürgermeisters wurde von über einhundert Schülerinnen und Schülern der Berufsschule und der Gesamtschule Warendorf verfolgt. Sie hatten sich im Unterricht intensiv mit dem Holocaust auseinandergesetzt. Zwei von Ihnen legten an der Gedenkstätte auf dem Paul-Spiegel-Platz ein Blumengesteck nieder und ehrten so die Opfer der Verfolgung durch die Nazis.