Welche Bedeutung die Erinnerungskultur für die Gesellschaft hat, erläuterte Dorothee Feller (CDU), Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, in ihrer Gedenkrede zum Volkstrauertag in Milte-Warendorf. Am Beispiel lokaler Biografien schilderte sie die Tragik des Krieges vor Ort: Heinrich, einziger Sohn eines Hofbesitzers aus Hörste, fiel 1915 bei Ypern, ohne seine neugeborene Tochter Klara je kennengelernt zu haben. Ferdinand aus der Bauerschaft Beverstrang wurde 1944 bei Rozan in Polen verwundet und gilt seither als vermisst. In seiner Familie überlebten von sechs Brüdern nur zwei den Zweiten Weltkrieg. „Wir müssen die Erinnerung an all diese Menschen lebendig halten und ihre Geschichten erzählen, wenn wir als Gesellschaft in der Lage sein wollen, vergleichbare Entwicklungen zu erkennen, Gewaltspiralen zu durchbrechen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln“, machte Feller deutlich, die ebenfalls Landesvorsitzende des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist.
Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sei die Mahnung, dass sich Geschichte nicht wiederholen dürfe, aktueller denn je. „Der Krieg ist zugleich ein Angriff auf die freiheitlich-demokratischen Grundwerte, die mehr als 75 Jahre lang die friedliche Gemeinschaft Europas getragen haben“, betonte die Ministerin. Ereignisse wie die jüngste Verfolgung jüdischer Fußballfans in den Niederlanden hätten gezeigt, was passieren könne, wenn die Gesellschaft nicht aufpasse. Auch die Ergebnisse der Europawahl in diesem Jahr hätten eine beunruhigende Tendenz im Wahlverhalten von Jugendlichen offenbart. Feller rief deshalb dazu auf, gerade junge Menschen in die Erinnerungskultur einzubeziehen: „Schülerinnen und Schüler sollten im Laufe ihrer Schulzeit mindestens einmal die Möglichkeit erhalten, eine Gedenkstätte zu besuchen – vor Ort oder auch digital“, wies sie auf die Förderung von Gedenkstättenfahrten durch das Land Nordrhein-Westfalen hin. Gleichzeitig machte Dorothee Feller auf einen Transformationsprozess innerhalb des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge aufmerksam, dessen Mitgliederstruktur altersbedingt abnehme.
Umso mehr lobte sie die engagierte Arbeit der Kameradschaft Milte und hob ihren 1. Vorsitzenden Wenzel Havelt als treibende Kraft hervor. Zu den Klängen des Liedes „Ich hatt‘ einen Kameraden“, gespielt von der Stadtkapelle Warendorf, legte sie gemeinsam mit Warendorfs Bürgermeister Peter Horstmann einen Kranz vor dem Ehrenmal nieder. Zahlreiche Milter Vereine und Bürger hatten sich an diesem regnerischen Novembermorgen versammelt, um der Opfer von Krieg, Terror und Gewaltherrschaft zu gedenken. Die KLJB, Fanfarencorps und Spielmannszug, die Feuerwehr, der Reiterverein, die Ehrengarde, der Schützenverein sowie die Kolpingfamilie stellten Abordnungen. Auch politische Vertreter und Ratsmitglieder waren der Einladung gefolgt. „Für uns als Kameradschaft ist der Volkstrauertag die wichtigste Aufgabe“, betonte Wenzel Havelt, der dem 240 Mitglieder zählenden Verein seit über 20 Jahren vorsteht. Sein herausragender Einsatz für die Erinnerungskultur wurde durch Ministerin Feller mit eine Urkunde sowie der Friedrich-Joseph-Haass-Medaille belohnt, die im Volksbund an besonders engagierte Menschen vergeben wird.
Autor: Emil Schoppmann, Fotos: Thorsten Meyer.